Was ist zu beachten bei Arbeitszeugnissen?

Die nachfolgenden Ausführungen zeigen auf, was bei der Zeugnisformulierung zu beachten ist, was in der Gerichtspraxis bezüglich Zeugnissen gilt und wieso eine Einigung über den Zeugnisinhalt Sinn macht bzw. wie ein solcher herbeigeführt werden kann.

Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber jederzeit ein Arbeitszeugnis verlangen. Das Arbeitszeugnis hat sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers auszusprechen (sog. Vollzeugnis). Vom Arbeitszeugnis zu unterscheiden ist die Arbeitsbestätigung, welche sich «nur» auf die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses beschränkt. Gemäss Art. 330a Abs. 2 OR ist eine Arbeitsbestätigung auf besonderes Verlangen des Arbeitnehmers auszustellen, d.h. dass grundsätzlich ein Vollzeugnis auszustellen ist, wenn der Arbeitnehmer nicht explizit eine blosse Arbeitsbestätigung verlangt. Eine Ausnahme besteht bei kurzer Dauer (d.h. bis cirka 6 Monaten) des Arbeitsverhältnisses, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, verlässlich Aussagen über die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers zu machen. Der Arbeitnehmer kann auch gleichzeitig ein Vollzeugnis und eine Arbeitsbestätigung verlangen. Je kürzer das Arbeitsverhältnis andauert/e, desto kürzer kann auch ein Arbeitszeugnis ausfallen.

Der Arbeitgeber ist nicht von sich aus verpflichtet, ein Arbeitszeugnis zu erstellen. Der Arbeitnehmer muss also das Arbeitszeugnis vom Arbeitgeber verlangen. Selbstverständlich steht es dem Arbeitgeber frei, freiwillig von sich aus ein Arbeitszeugnis auszustellen.

Bei laufenden Arbeitsverhältnissen, d.h. auch wenn es bereits gekündigt, aber noch nicht beendet ist, ist ein sog. Zwischenzeugnis auszustellen, welches i.d.R. auch als solches bezeichnet wird. Das Zwischenzeugnis ist im Präsens auszugestalten. Aussagen zur allfällig bevorstehenden Beendigung haben im Zwischenzeugnis nichts zu suchen. Demgegenüber sind die Beurteilungen im Schlusszeugnis, welches i.d.R. als Arbeitszeugnis bezeichnet wird, in der Vergangenheitsform zu formulieren.

Das Arbeitszeugnis hat folgenden Grundsätzen zu folgen:

  • Klarheit
  • Wahrheit
  • Wohlwollen
  • Vollständigkeit
  • Individuelle Beurteilung

Grundsatz der Klarheit: Die Zeugnissprache muss klar, widerspruchsfrei und verständlich sein, insbesondere sind die Benutzung von Geheimzeichen oder Codes unzulässig.

Grundsatz der Wahrheit: Es sind nur objektive Tatsachen festzuhalten. Es dürfen keine Anschuldigungen, Annahmen, Unterstellungen oder gar bewusst wahrheitswidrige Behauptungen in das Zeugnis aufgenommen werden.

Grundsatz des Wohlwollens: Der Arbeitgeber untersteht auch bei der Zeugnisformulierung der Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Insbesondere darf er das wirtschaftliche bzw. berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren. Daher ist der Arbeitgeber grundsätzlich zu einer vorteilhaften Beurteilung des Arbeitnehmers verpflichtet. Wenn also bestimmte Umstände oder Tatsachen vorliegen, deren Erwähnung sich nachteilig auf die Beurteilung des Arbeitnehmers auswirken können, die aber zugleich nicht von einem erheblichen Gewicht sind, dass ihre Aufnahme in das Zeugnis zwingend erforderlich sind, sind die entsprechenden Ausführungen wegzulassen. Dies ist insbesondere bei vereinzelten Vorkommnissen der Fall.

Grundsatz der Vollständigkeit: Der Arbeitgeber hat alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen, die über die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers Aufschluss geben können.

Grundsatz der individuellen Beurteilung: Der Arbeitgeber muss sich detailliert mit den Leistungen und dem Verhalten des Arbeitnehmers auseinandersetzen. Das heisst, dass der Arbeitgeber auf vorgefertigte, pauschale Zeugnisfloskeln oder gar Standardzeugnisse zu verzichten hat.

Ohne gegenteilige Mitteilungen des Arbeitgebers darf der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass seine Leistungen und sein Verhalten gut sind. So geht auch die Gerichtspraxis grundsätzlich von einer guten Beurteilung aus. In der Konsequenz heisst das insbesondere bei einer gerichtlichen Beurteilung des Zeugnisses folgendes. Wenn der Arbeitnehmer (in gewissen Teilen) eine bessere Beurteilung wünscht, hat er den entsprechenden Beweis dafür zu erbringen. Wenn hingegen der Arbeitgeber eine schlechtere Beurteilung abgeben möchte, ist er dafür beweispflichtig. Im Gerichtsprozess stehen dafür die üblichen Beweismittel zur Verfügung (insbesondere Urkunden, Zeugen, schriftliche Auskünfte, Sachverständige, Augenschein, Parteibefragung). Wobei in der Praxis Urkunden und Zeugen eine überwiegende Bedeutung zukommt.

Als Urkunden sind insbesondere Mitarbeiterbeurteilungsprotokolle, Abmahnungen u.ä. von Bedeutung. Daher ist es grundsätzlich empfehlenswert, dass Arbeitgeber im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses nach Möglichkeit in regelmässigen Abständen Mitarbeiterbeurteilungsgespräche durchführen und diese protokollieren und unterzeichnen lässt oder dem Arbeitnehmer andere schriftliche Mitteilungen über seine Leistungen und sein Verhalten macht. Unseres Erachtens sind dem Arbeitnehmer schlechtere (als gute) Leistungen und Verhalten zur Kenntnis zu bringen, da er ohne solche Mitteilungen davon ausgehen darf, dass seine Leistungen und sein Verhalten gut sind. Dabei sollte darauf verzichtet werden aus Rücksicht auf den Arbeitnehmer oder um diesen bei Laune zu halten, seine Leistungen und sein Verhalten zu beschönigen. Wobei auch nicht das Gegenteil erfolgen sollte. Im Gegenzug sollten Arbeitnehmer sich im Rahmen solcher Mitarbeiterbeurteilungsgespräche oder mit Bezug auf andere schriftliche Mitteilungen/Abmahnungen äussern, wenn sie mit einer schlechteren Beurteilung nicht einverstanden sind oder der Ansicht sind, eine bessere Beurteilung verdient zu haben. Wenn der Arbeitgeber in der Folge mit solchen Änderungswünschen oder gegenteiligen Darstellungen des Arbeitnehmers einverstanden ist, sollte der Arbeitnehmer darum bekümmert sein, dass diese Änderungen im entsprechenden Protokoll oder in einer schriftlichen Ergänzung Eingang finden.

Wenn der Arbeitgeber keine solchen regelmässigen Mitarbeiterbeurteilungsgespräche führen möchte, kann er sich auch mittels anderer Mitteilungen zur Leistung und zum Verhalten des Arbeitnehmers äussern. Dann ist es empfehlenswert, dass diese Mitteilungen schriftlich festgehalten und nach Möglichkeit durch den Arbeitnehmer unterschrieben oder mindestens nachweislich zugestellt werden. Der Arbeitnehmer hingegen hat die Möglichkeit durch das (regelmässige) Verlangen eines Zwischenzeugnisses eine Beurteilung erhältlich zu machen. Wenn der Arbeitnehmer mit der entsprechenden Beurteilung nicht einverstanden ist, sollte er darum bemüht sein, zeitnahe eine Änderung des Zeugnisses zu erwirken.

Auch in gewissen anderen Situationen drängt es sich auf, dass der Arbeitnehmer ein Zwischenzeugnis verlangt, wenn ein solches nicht selbständig durch den Arbeitgeber erstellt wird. Dies ist insbesondere in folgenden Situationen der Fall, z.B. bei einem anstehenden Vorgesetztenwechsel, bei der Übernahme des Arbeitsverhältnisses durch einen anderen Arbeitgeber (z.B. infolge Verkauf der Firma, Fusion, Spaltung), bei aufkommenden Problemen mit anderen Mitarbeitern oder wenn sich ein Stellenwechsel abzeichnet, sei es durch anstehende Kündigung durch den Arbeitnehmer oder nach Kündigung durch den Arbeitgeber.

In aller Regel macht es Sinn, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer versuchen über den Zeugnisinhalt zu verständigen. Denn Gerichtsprozesse über Arbeitszeugnisse sind teuer und dauern i.d.R. lange. Meist führen sie auch nicht zum gewünschten Ergebnis. Empfehlenswert ist auch, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorab einen Entwurf des Zeugnisses zur Stellungnahme zukommen lässt, so dass von Beginn an ein konstruktiver Diskurs über den Zeugnisinhalt bzw. die Beurteilung geführt werden kann.

Luzern, 23. April 2020

Simeon Beeler

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