Update zur Revision des Schweizerischen Erbrechts

Eines vorweg: Die Revision eines Schweizerischen Gesetzes braucht Zeit! Im März 2021 ist es zehn (!) Jahre her, dass der Nationalrat die Motion Gutzwiler angenommen hat, um das seit 1912 bestehende Schweizerische Erbrecht an die heutigen Bedürfnisse anzupassen. Wo stehen wir heute?

Der Bundesrat hat zwei Vernehmlassungen durchgeführt, an welchen unter anderem auch der Verein Successio (bei welchem wir als Fachanwälte SAV Erbrecht doppelt vertreten sind) teilgenommen hat. National- und Ständerat haben inzwischen über einen Entwurf des revidierten Schweizerischen Erbrechts diskutiert und entschieden, dass die Revision in zwei Schritten erfolgen solle: Einerseits werden (in einem «1. Teil») wesentliche Anpassungen am Pflichtteilsrecht vorgenommen, um die Freiheiten bei der Nachlassregelung zu vergrössern. Andererseits sind (in einem «2. Teil») Vorschriften für die Unternehmensnachfolge sowie «technische Anpassungen» am bestehenden Recht vorgesehen.

1. Teil (Anpassung des Pflichtteilsrechts)

Nach heutigem Schweizerischem Erbrecht sind Ehegatten, Nachkommen und – bei fehlenden Nachkommen – Eltern mit relativ hohen Pflichtteilen geschützt. Regelmässig schränkt dies bei der Regelung des Nachlasses (zu) stark ein, weil zwingend Pflichtteile zu berücksichtigen sind. Eltern oder Nachkommen reduzieren z.B. die Möglichkeit, den Ehegatten bzw. den Konkubinatspartner zu begünstigen. Grosskinder können nur Zuwendungen erfahren, wie es die Pflichtteile der «Kinder» (ihrer Eltern) erlauben. Der Wunsch nach mehr Freiheit und Flexibilität eines Erblassers hat übereinstimmend zur Überzeugung geführt, dass der Pflichtteil der Nachkommen neu (anstatt drei Viertel wie bisher) nur noch die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches betragen soll. Der Pflichtteilsschutz für die Eltern soll gar ganz wegfallen. Weil der Pflichtteilsanspruch der Ehegatten bei der Hälfte bleibt, verfügt ein Erblasser mit Nachkommen unabhängig von seinem Zivilstand nach künftigem Recht somit über eine freie, flexibel einsetzbare Quote von 50% (bisher 37.5% bzw. 25%).

Auch künftig werden Konkubinatspartner nicht automatisch von Gesetzes wegen einen Erbanspruch im Nachlass des anderen haben und bleiben auf eine entsprechende testamentarische bzw. erbvertragliche notarielle Regelung angewiesen. Eine gesetzliche Spezialregelung, welche «Härtefälle» bei Konkubinatspartnern mittels eines Rentenanspruches hätte verhindern sollen, wurde vom Ständerat abgelehnt.

Der Entwurf sieht sodann kein sogenanntes «Übergangsrecht» vor, d.h. keine Bestimmungen über die Geltung des neuen, revidierten Rechts. Es soll gelten: Wer stirbt, nachdem das neue Erbrecht in Kraft getreten ist, vererbt nach neuem Recht. Bisherige Testamente und Ehe-/Erbverträge bleiben gültig. Der Verzicht auf Übergangsbestimmungen hat aber dazu geführt, dass der Nationalrat das Geschäft nun ein zweites Mal traktandiert hat und – voraussichtlich – am 26. August 2020 behandeln will. Erst danach wird klar, auf welchen Zeitpunkt hin die neuen Bestimmungen in Kraft treten. Wir rechnen mit 2022.

2. Teil (Unternehmensnachfolge)

Immer wieder besteht die Herausforderung, eine Nachlassregelung mit den aktuellen und künftigen Zielen eines (Familien-)Unternehmens in Einklang zu bringen. So droht insbesondere das Szenario, dass Pflichtteilsansprüche des Ehegatten und/oder der Nachkommen zu erfüllen und dafür betriebsnotwendige Mittel anzutasten sind. Dies insbesondere auch deshalb, weil es unter Umständen nicht ausreicht, einem pflichtteilsgeschützten Erben einen entsprechenden Minderheitsanteil am Unternehmen ohne Entscheidungsmacht zu hinterlassen. Die im 1. Teil geschilderte und vorgesehene Senkung des Pflichtteilsanspruches wird diese bestehende Problematik bereits deutlich reduzieren. Spezifische Unternehmensnachfolgeregeln (des 2. Teils) sollen nun diesen Konflikt zusätzlich mildern, indem ein Erbe, der die Unternehmensnachfolge antritt, den Anspruch der Miterben verzögert ausrichten kann (sogenannte «Stundung»). Mit der gesetzlichen Vorgabe, den erbrechtlichen Anspruch der Miterben sicherzustellen bzw. bis zur Erfüllung zu verzinsen, ist aber fraglich, ob eine solche Stundung für den Unternehmensnachfolgeerben überhaupt attraktiv bzw. wirtschaftlich vertretbar sein wird. Sodann soll das Gericht – anders als nach heutiger Rechtsprechung – künftig ein Unternehmen einem Unternehmensnachfolgeerben zuweisen und somit den Fortbestand des Unternehmens unterstützen können. Weiter steht zur Diskussion, welcher Zeitpunkt für die Bewertung des Unternehmens bei der Zuweisung und Erbteilung massgebend sein soll. Die mit dem Vorentwurf bestehende Tendenz hin zum Zeitpunkt der Übertragung des Unternehmens an den Unternehmensnachfolgeerben dürfte für diesen mehr Sicherheit bei der (Finanz-)Planung bedeuten.

Fazit

Ob Sie nun Ihre bestehende erbrechtliche Regelung überprüfen wollen oder daran sind, Ihr Testament oder Ihren Erbvertrag in Angriff zu nehmen: Es ist zwingend und kann Ihnen zusätzlich Optionen verschaffen, dabei das künftige Schweizerische Erbrecht zu berücksichtigen. Selbstverständlich unterstützen wir Sie bei allem entsprechend Ihren Bedürfnissen. Nutzen Sie unsere Fachkompetenz und unsere Erfahrung!

Luzern, 7. August 2020 

Reto Marbacher

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