Unbezahlter Urlaub - Sabbatical, Reisen, Weiterbildung/Studium im Ausland & Co.

Die Tendenz der Arbeitnehmer, welche eine längere Reise, ein Sabbatical, eine Weiterbildung, ein Studium im Ausland oder dgl. planen, war vor der Corona-Pandemie steigend. Viele Arbeitgeber erkennen den Wert solcher Vorhaben ihrer Arbeitnehmer für das eigene Unternehmen, so dass deren Verwirklichung nicht zwingend mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbunden ist. Dennoch ist der Unterbruch der Arbeitstätigkeit mit Risiken verbunden.

Unbezahlter Urlaub wird in aller Regel auf Wunsch des Arbeitnehmers vereinbart. Die Motive dafür sind vielfältiger Natur. Die gängigsten sind wohl längere Reisen, Weiterbildung oder Studium im Ausland sowie ein Sabbatical. Wünscht der Arbeitgeber, dass die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ausgesetzt wird, erfolgt dies in der Regel über eine Freistellung und die Lohnzahlungspflicht besteht weiter, sofern nichts anderes vereinbart wird. Sie stellt insoweit das Pendant zum unbezahlten Urlaub dar. Durch die Corona-Pandemie ist die Digitalisierung in vielen Betrieben erheblich vorangetrieben worden. Mit der Möglichkeit von und Gewöhnung an externes Arbeiten, Videokonferenzen usw. dürfte in vielen Fällen der unbezahlte Urlaub einer Reduktion des Arbeitspensums weichen, da der Arbeitnehmer problemlos aus fast jedem Winkel der Erde Arbeit erbringen kann.

Regelung des unbezahlten Urlaubs

Eine generelle Regelung des unbezahlten Urlaubs findet sich im Gesetz nicht. Immerhin kann man aus dem Gesetz etwas zu einzelnen spezifischen Arten des unbezahlten Urlaubs ableiten. Gemäss Art. 329 Abs. 3 OR sind dem Arbeitnehmer die üblichen freien Stunden und Tage sowie «nach erfolgter Kündigung die für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit zu gewähren». Eingeräumt werden demnach wenige freie Stunden oder Tage, welche im Rahmen des Üblichen liegen. In der Praxis findet diese Regelung häufig Anwendung bei Arztbesuchen, Todesfälle im nahen Umfeld, Wohnungsumzug etc. Nicht umfasst ist dadurch eine längere Abwesenheit, die beispielsweise für eine längere Reise, eine Weiterbildung oder ein Studium benötigt wird. Art. 329e OR regelt den (unbezahlten) Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit, Art. 329f OR i.V.m. Art. 35a ArG den Mutterschaftsurlaub und Art. 329g OR den Vaterschaftsurlaub. Zu den Letzteren folgt hiernach etwas mehr.

Dem Gesetz ist zum hier behandelten unbezahlten Urlaub keine spezifische Regelung zu entnehmen. Denkbar ist jedoch die Regelung des unbezahlten Urlaubs in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) oder im Einzelarbeitsvertrag bzw. in dazugehörigen Reglementen. Sofern im anwendbaren GAV oder Einzelarbeitsvertrag nichts geregelt ist, bedarf es einer separaten Regelung des unbezahlten Urlaubs zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Einzelfall. Dies kann schriftlich, mündlich oder konkludent erfolgen. Der Arbeitnehmer wird gut daran tun, auf eine explizite schriftliche Regelung zu drängen.

Exkurs: Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit Mutterschafts- & Vaterschaftsurlaub

Nach Art. 329e OR haben Arbeitnehmer bis zum vollendeten 30. Altersjahr einen gesetzlichen Anspruch auf unbezahlten Urlaub für unentgeltliche leitende, betreuende oder beratende Tätigkeit im Rahmen ausserschulischer Jugendarbeit in einer kulturellen oder sozialen Organisation sowie für die dazu notwendige Aus- und Weiterbildung. Dieser Anspruch beschränkt sich pro Dienstjahr auf eine Arbeitswoche. Die ausserschulische Jugendarbeit gibt neben anderen Bedingungen also nur Anspruch auf unbezahlten Urlaub, wenn sie unentgeltlich erbracht wird. Für den Urlaub entsteht grundsätzlich kein Lohnanspruch, es sei denn, dass durch Abrede unter den Vertragsparteien, in einem Normalarbeitsvertrag oder GAV zu Gunsten des Arbeitnehmers etwas anderes vereinbart wird.

Art. 329f OR sieht vor, dass Arbeitnehmerinnen Anspruch auf mindestens 14 Wochen Mutterschaftsurlaub haben. Art. 35a Abs. 3 ArG gibt vor, dass Wöchnerinnen während acht Wochen nach der Niederkunft nicht und danach bis zur 16. Woche nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden dürfen. Während den ersten acht Wochen besteht also ein Arbeitsverbot. Während weiteren acht Wochen muss die Wöchnerin mit der Beschäftigung einverstanden sein. Das ArG sieht keine Pflicht des Arbeitgebers vor, den Lohn für den Zeitraum des Mutterschaftsurlaubs auszurichten. Ein beschränkter Entschädigungsanspruch ist jedoch über die Erwerbsersatzordnung vorgesehen. Danach erhält die Wöchnerin einen Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung mit dem Tag der Niederkunft (evtl. auf Antrag der Mutter bei längerem Spitalaufenthalt des neu geborenen Kindes ab dem Zeitpunkt, wenn das Kind nach Hause kommt) während 98 Tagen in der Höhe von 80% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens (Art. 16b ff. EOG).

Der Vaterschaftsurlaub nach Art. 329g OR kann flexibel innert sechs Monaten nach der Geburt des Kindes bezogen werden. Der Anspruch auf Vaterschaftsentschädigung wird im EOG und der EOV geregelt.

Folgen des unbezahlten Urlaubs im Überblick

Während des unbezahlten Urlaubs besteht das Arbeitsverhältnis fort. Der Bezug von unbezahltem Urlaub hat zur Folge, dass die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, d.h. die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers sowie die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers, ruhen. Gewisse Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis (z.B. das Weisungsrecht und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sowie die Treuepflicht des Arbeitnehmers) bestehen eingeschränkt fort. Der unbezahlte Urlaub ist für Ansprüche, bei denen die Dauer des Arbeitsverhältnisses massgebend ist (z.B. Kündigungsfrist, Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit), einzurechnen. Im Bereich der Sozialversicherungen gilt es einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Darauf wird im Folgenden genauer eingegangen.

Praxistipp

Konkrete Abmachungen treffen, um Rechtsunsicherheiten vorzubeugen

  • Dauer und Zeitpunkt des unbezahlten Urlaubs
  • Aussetzen der Arbeitspflicht, Teilarbeitseinsätze und allfällige beschränkte Erreichbarkeit
  • Aussetzen der Lohnzahlungspflicht bzw. allfällige Höhe einer beschränkten Lohnfortzahlung sowie Entlöhnung einer allfälligen beschränkten Erreichbarkeit
  • Auswirkungen auf das Kündigungsrecht
  • Auswirkungen auf den Ferienanspruch
  • Allfällige Fortzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen

usw.

Kündigungsrecht im Besonderen

Grundsätzlich wird das Kündigungsrecht, genau gleich wie bei Ferien, durch den unbezahlten Urlaub nicht eingeschränkt. Denkbar ist jedoch, dass durch den unbezahlten Urlaub eine (implizite oder konkludente) Vereinbarung getroffen wurde, nach welcher ein Fristaufschub gilt. Das heisst, dass diesfalls die Kündigungsfrist erst nach Beendigung des unbezahlten Urlaubs zu laufen beginnt. Um allfälligen Unsicherheiten vorzubeugen, ist eine klare Regelung ratsam. Ausserdem sind der Kündigung durch den Arbeitgeber aufgrund mangelnder Zustellbarkeit an bzw. Erreichbarkeit des Arbeitnehmers je nachdem Grenzen gesetzt. Da die Kündigung erst mit dem Empfang durch den Adressaten ihre Wirkung entfalten kann, muss sie tatsächlich zugestellt werden können. Bezüglich Zustellung während Ferien sind das Bundesgericht und die herrschende Lehre der Auffassung, dass eine Kündigung erst im Moment, in dem vom Empfänger nach seiner Rückkehr die Kenntnisnahme erwartet werden kann, als zugestellt gilt. Anders verhält es sich, wenn er zu Hause geblieben ist, er sich die Post effektiv hat nachsenden lassen oder er ohne Wissen des Arbeitgebers in die Ferien verreist ist. Diese Auffassung ist meines Erachtens für eine Reise während dem unbezahlten Urlaub analog anwendbar. Immerhin sei hier aber noch festgehalten, dass eine Kündigung per E-Mail, SMS, andere Messenger-Dienste, Natel-Combox oder dergleichen auch möglich ist, sofern nicht die Schriftlichkeit vorbehalten wurde.

Ferienanspruch

Der Ferienanspruch beträgt pro Dienstjahr mindestens vier Wochen, wobei für ein unvollständiges Dienstjahr Ferien entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses im betreffenden Dienstjahr zu gewähren sind (vgl. Art. 329a OR). Der Anspruch wächst dementsprechend mit der Dauer des Dienstjahres. Die überwiegende Lehre geht davon aus, dass bei unbezahltem Urlaub der Grundsatz «ohne Arbeit keine Ferien» greift, d.h. dass der Ferienanspruch während dem unbezahlten Urlaub nicht wächst.

Erwähnung im Arbeitszeugnis

Ob ein unbezahlter Urlaub im Arbeitszeugnis zu erwähnen ist, beurteilt sich nach den üblichen Grundsätzen. Danach gilt, dass im Zeugnis längere Absenzen, die im Verhältnis zur gesamten Vertragsdauer ins Gewicht fallen, aufzuführen sind. Gegen den Willen des Arbeitnehmers darf eine Abwesenheit wegen unbezahltem Urlaub nur erwähnt werden, wenn sonst ein falsches Bild entstünde, z.B. wegen falscher Schlussfolgerungen betreffend die erworbene Berufserfahrung. Es ist also vom Willen des Arbeitnehmers, von der Dauer des unbezahlten Urlaubs und der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig.

Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit

Mangels Lohnanspruch entfällt der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach Art. 324a für die Dauer des unbezahlten Urlaubs. Bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit über den vereinbarten Ablauf des unbezahlten Urlaubs hinaus lebt der Lohnfortzahlungsanspruch wieder auf.

Unfallversicherung

Der Schutz der obligatorischen beruflichen Unfallversicherung endet mit dem 31. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört (vgl. Art. 3 Abs. 2 UVG). Es besteht jedoch die Möglichkeit mit dem Unfallversicherer des Arbeitgebers eine Abredeversicherung abzuschliessen. Damit kann der Versicherungsschutz bis maximal sechs Monate verlängert werden (vgl. Art. 3 Abs. 3 UVG). Für einen Versicherungsschutz darüber hinaus, kann der Arbeitnehmer eine (freiwillige) Einzelunfallversicherung abschliessen. Gewisse Versicherer (insbesondere auch die SUVA) sind kulant und bezahlen das Taggeld auch während der Dauer des unbezahlten Urlaubs, sofern der Unfall den Zweck des Urlaubs vereitelt hat. Massgebend für das Taggeld ist der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn (vgl. Art. 22 Abs. 3 UVV). Bei unregelmässiger Erwerbstätigkeit wird auf einen angemessenen Durchschnittslohn abgestellt (vgl. Art. 23 Abs. 3 UVV). Für eine notwendige Heilbehandlung im Ausland wird dem Versicherten höchstens der doppelte Betrag der Kosten vergütet, die bei der Behandlung in der Schweiz entstanden wären (Art. 17 UVV).

(Kollektiv-)Krankentaggeldversicherung

Wie bereits ausgeführt, entfällt der Anspruch auf Lohnfortzahlung für die Dauer des unbezahlten Urlaubs. Dies gilt auch für ein allfälliges Krankentaggeld. Es ist daher gegebenenfalls ratsam, eine Einzelkrankentaggeldversicherung für die Dauer des unbezahlten Urlaubs abzuschliessen.

AHV/IV/EO

Abhängig von der Dauer des unbezahlten Urlaubs kann eine Beitragslücke entstehen, sofern der Ehegatte nicht Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrages bezahlt hat (Art. 3 Abs. 3 AHVG). Eine Beitragslücke lässt sich auch durch die Bezahlung des Mindestbeitrags für Nichterwerbstätige (CHF 413.00/Jahr, Stand 2021) vermeiden (Art. 10 Abs. 1 AHVG), was unbedingt zu empfehlen ist.

ALV

Dauert der unbezahlte Urlaub länger als 12 Monaten ist die Beitragszeit während der zweijährigen Rahmenfrist nicht mehr gewahrt (Art. 9 i.V.m. Art. 13 AVIG). Dies ist allenfalls bereits früher der Fall, wenn die Beitragspflicht in den 12 Monaten vor Antritt des unbezahlten Urlaubs (teilweise) nicht erfüllt wurde. Dadurch entfällt der Taggeldanspruch. Dies gilt nicht für Fälle, in denen eine (teilweise) Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit besteht, so z.B. bei Schulausbildung, Umschulung, Weiterbildung, Krankheit, Unfall, Mutterschaft oder Aufenthalt in einer schweizerischen Haft- oder Arbeitserziehungsanstalt.

Berufliche Vorsorge (Obligatorium)

Die Versicherungspflicht endet u.a., wenn der Mindestlohn unterschritten wird (Art. 10 Abs. 2 lit. c BVG). Der Mindestjahreslohn beträgt CHF 21'510.00 (Stand 2021). Wenn also der Mindestjahreslohn tiefer als CHF 21'510.00 ist, entfällt die Versicherungspflicht. Fraglich ist, ob Art. 8 Abs. 3 BVG zur Anwendung kommt. Dieser besagt, dass der bisherige koordinierte Lohn in Fällen, in denen der Jahreslohn vorübergehend wegen Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft oder aus ähnlichen Gründen sinkt, mindestens solange Gültigkeit behält, als die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a OR bestehen würde oder ein Mutterschaftsurlaub nach Art. 329f OR dauert. Die versicherte Person kann aber die Herabsetzung des koordinierten Lohnes verlangen. Die Anwendung dieser Bestimmung hätte zur Folge, dass der vor dem unbezahlten Urlaub versicherte Lohn mindestens so lange gültig wäre, als die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht fortbestehen würde, sofern der Arbeitnehmer nicht die Herabsetzung des koordinierten Lohnes verlangen würde. Demzufolge wären auch die Prämien zu bezahlen. Diese können, sofern vereinbart, auch ganz vom Arbeitnehmer übernommen werden. Die kollektive Beitragsparität (Art. 66 Abs. 1 BVG) darf dabei nicht verletzt werden.

Für den Fall, dass der unbezahlte Urlaub sechs Monate und mehr dauert, ist Art. 20 Abs. 1 FZG zu beachten: «Ändern Versicherte ihren Beschäftigungsgrad für die Dauer von mindestens sechs Monaten, so hat die Vorsorgeeinrichtung wie im Freizügigkeitsfall abzurechnen

Familienzulagen

Die Familienzulagen werden gemäss Art. 10 Abs. 1bis FamZV nach Antritt eines unbezahlten Urlaubs noch während des laufenden Monats und der drei darauf folgenden Monate ausgerichtet, sofern das AHV-pflichtige Einkommen noch mindestens CHF 7'170.00 (Stand 2021) im Jahr beträgt und die Arbeit nach dem unbezahlten Urlaub wieder beim gleichen Arbeitgeber aufgenommen wird.

Praxistipp

Den Arbeitnehmer auf die (wichtigsten) sozialversicherungsrechtlichen Folgen aufmerksam machen, damit dieser notwendige Vorkehrungen treffen kann

  • UVG: Evtl. Abredeversicherung abschliessen
  • KTGV: Evtl. Einzelversicherung abschliessen
  • AHV: Sicherstellen, dass Mindestbeitrag entrichtet wird
  • ALV: Bei unbezahltem Urlaub von mehr als 12 Monaten entfällt der Arbeitslosentaggeldanspruch bis die Beitragszeit während der Rahmenfrist wieder erfüllt ist
  • Berufliche Vorsorge: Mit der Vorsorgeeinrichtung die Folgen klären
  • FamZG: Nach Erlöschen des Anspruchs allenfalls neue Familienzulagenanmeldung durch den anderen Elternteil

Luzern, 21. April 2021

Simeon Beeler

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