Ich bin krank. Kann mir mein Arbeitgeber dennoch die geplanten Ferientage abziehen?

Erkrankt ein Arbeitnehmer vor oder während seiner Ferien, stellt sich die Frage, ob die geplanten Ferien dennoch als bezogen zu betrachten sind. Ausschlaggebend hierfür ist die sog. Ferienfähigkeit, d.h. ob der gesundheitliche Zustand des Arbeitnehmers dem Erholungszweck der Ferien entgegensteht. Ist die Ferienfähigkeit nicht gegeben, verfallen auch die entsprechenden Ferientage nicht. Andernfalls gelten die Ferientage trotz Krankheit oder Unfall als bezogen. Ist die Ferienfähigkeit umstritten, empfehlen wir dies von einem Arzt prüfen zu lassen.

Nicht jede gesundheitliche Beeinträchtigung schliesst den Erholungszweck aus. Dies gilt auch für teilweise Arbeitsunfähigkeiten. Ist der Arbeitnehmer beispielsweise 60% arbeitsunfähig, verlängert sich sein Ferienanspruch nicht automatisch. Steht die Erkrankung dem Erholungszweck entgegen, gelten die Ferien als nicht bezogen. Verhindert die Erkrankung die Erholung demgegenüber nicht, können die Ferien vollständig bezogen werden. Bei mehrtägigen Ferienbezügen trotz teilweiser Arbeitsunfähigkeit gelten gemäss Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Zürich grundsätzlich die gesamten Ferientage als bezogen. Dies deshalb, da in diesem Fall der Erholungszweck der Ferien im Vordergrund steht. Anders verhält es sich beispielsweise, wenn der Arbeitnehmer in den Ferien regelmässig Therapien machen muss oder nur einzelne Ferientage bezogen werden. Gemäss Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Zürich sind die Ferientage in diesen Fällen entsprechend dem Grad der Arbeitsunfähigkeit zu belasten. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber allerdings seine Restarbeitsfähigkeit (40%) anzubieten.

Dauert die Erkrankung über längere Zeit an, darf der Arbeitgeber den Ferienanspruch des Arbeitnehmers kürzen (Art. 329b Abs. 2 und 3 OR). Das Obligationenrecht gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, den Ferienanspruch des Arbeitnehmers ab dem zweiten vollen Monat und für jeden weiteren vollen Monat um 1/12 des Jahresanspruchs zu kürzen. Bei einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit verlängern sich die sog. Schonfrist entsprechend. D.h., einem Arbeitnehmer, welcher im selben Dienstjahr während vier Monaten ununterbrochen zu 50% arbeitsunfähig war, kann der Ferienanspruch um 1/12 gekürzt werden (die Schonfrist beträgt bei einer 50% Arbeitsunfähigkeit zwei Monate; zudem dauert es rechnerisch gesehen zwei weitere Monate bis der Arbeitnehmer nach Ablauf der Schonfrist einen weiteren vollen Monat arbeitsunfähig war).

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Luzern, 2. August 2021

Melanie Fischer

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