Die Patchwork-Familie

Mein Mann und ich haben drei gemeinsame Kinder. Aus einer früheren Beziehung hat mein Mann einen Sohn, zu dem wir keinen Kontakt haben. Wir haben weder einen Ehevertrag noch eine erbrechtliche Regelung abgeschlossen. Wie kann ich sicherstellen, dass meine Kinder möglichst viel von meinem Nachlass erhalten, vor allem wenn ich vor meinem Mann versterben sollte?

Sie schildern Ihre Patchwork-Situation und den Wunsch, dass die vier Kinder am elterlichen Vermögen ausschliesslich entsprechend der jeweiligen Abstammung teilhaben. Nach Gesetz erben beim Vorversterben Ihres Mannes einerseits Sie und andererseits seine vier Nachkommen zur Hälfte. Vorab zur Erbteilung ist die güterrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten durchzuführen. Erst mit der Zuordnung der ehelichen Vermögenswerte zu den Gütermassen jedes Ehegatten wird geklärt, was davon überhaupt in den Nachlass fällt. Bei Ihrem Zweitversterben bilden Ihre drei Nachkommen (ohne den Stiefbruder) die Erbengemeinschaft.

Wenn umgekehrt Sie vor Ihrem Mann versterben, bilden Ihre drei Kinder und Ihr Mann die Erbengemeinschaft. Beim Zweitversterben Ihres Mannes erben seine vier Kinder dann grundsätzlich zu gleichen Teilen, womit der nicht gemeinsame Sohn des Mannes indirekt aus Ihrem ursprünglichen Nachlass begünstigt würde.

In Ihrem Fall könnte die Regelung mittels Vor- und Nacherbschaft sinnvoll sein. Bei der Umsetzung Ihres Vorhabens ist jedoch Rücksicht auf den Pflichtteil Ihres Mannes zu nehmen, den dieser in Ihrem Nachlass hat. Hinterlassen Sie z.B. CHF 400'000.-, so beträgt der Pflichtteilsanspruch des Ehemannes heute CHF 100'000.-. Ihr Stiefsohn wiederum kann seine erbrechtlichen Ansprüche an diesem Pflichtteil des Ehemannes geltend machen. Es sind Ihnen also Grenzen gesetzt bei einer Vor- und Nacherbschaft. Die Reduktion der Pflichtteilsquote von Nachkommen im künftigen Erbrecht (gemäss anstehender Gesetzesänderung) könnte aber zusätzlich die Möglichkeit bieten, mit unterschiedlichen Erbteilen beim Zweitversterben des Ehemannes den Zufluss von Vermögen von Ihnen an Ihren Stiefsohn weitgehend zu verhindern.

Eine Alternative zur Vor- und Nacherbschaft könnte darin bestehen, dass Sie Ihre drei Kinder bereits frühzeitig zu Lebzeiten aus Ihrem Vermögen begünstigen und (je nach Bedarf) eine Nutzniessung zu Gunsten von Ihnen und Ihrem Mann begründen. Diese Vermögenswerte würden dann bei Ihrem späteren Ableben gar nicht erst in Ihren Nachlass fallen.

Bei sehr unterschiedlichen Anteilen der Ehegatten am ehelichen Vermögen ist sodann der Wechsel zu einem anderen Güterstand in Erwägung zu ziehen. Dies wäre mit einer notariellen Urkunde umzusetzen.

Der rechtlich einfachste Weg bestünde darin, gemeinsam mit allen vier Nachkommen einen Erbvertrag beurkunden zu lassen, mit welchem auf die unterschiedlichen Abstammungen und Erbansprüche Rücksicht genommen werden könnte.

Über diese finanziellen Aspekte hinaus könnte es bei dieser Patchwork-Situation aus Gründen der Abwicklung der Erbschaft angezeigt sein, die Erbansprüche gewisser Nachkommen über ein Vermächtnis auszurichten und so eine Erbengemeinschaft mit Stiefgeschwistern bzw. Stiefmutter zu verhindern. Aus den gleichen Überlegungen ist die Einsetzung eines Willensvollstreckers zu prüfen.

Luzern, 15. Februar 2021

Reto Marbacher

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