Erbstreitigkeiten erfordern zuweilen viel Geduld. Vor den ordentlichen Schweizerischen Gerichten dauern Prozesse nicht selten mehrere Jahre, erst recht wenn nach den beiden kantonalen Instanzen (im Kanton Luzern das Bezirksgericht sowie das Kantonsgericht) noch das Bundesgericht angerufen wird. Deshalb die Frage: Gibt es eine Alternative?
Eines vorweg: Der Willensvollstrecker kann bei Uneinigkeit der Erben nicht über deren Kopf hinweg entscheiden, sondern nur vermitteln bzw. Vorschläge zur einvernehmlichen Lösung machen. Soweit der Erblasser im Testament oder Erbvertrag Nachlassbestandteile an bestimmte Personen zugewiesen oder Teilungsvorschriften vorgesehen hat, ist der Willensvollstrecker zwar berechtigt und verpflichtet, entsprechende Anordnungen zu vollziehen. Gibt es eine Auseinandersetzung über den (Anrechnungs-)Wert z.B. eines Kunstgegenstandes oder einer Liegenschaft, ist ein Testament oder ein Erbvertrag auslegungsbedürftig oder beanspruchen mehrere Personen die gleichen Wertgegenstände, kann es aber dennoch zur Blockade kommen. In solchen Fällen hat auch ein Willensvollstrecker (nicht zuletzt zum Schutz von sich selber) mit der weiteren Verteilung und Abwicklung zuzuwarten, bis die Erben sich einig sind oder ein Gericht entschieden hat.
Schneller und diskreter als ein ordentliches Gerichtsverfahren kann im Idealfall ein Schiedsverfahren zum Urteil führen, da ein Schiedsgericht in der Regel endgültig und ohne nachfolgende Rechtsmittelinstanzen entscheidet. Zwar besteht (zumindest nach den Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung) die Option der Beschwerde an das Bundesgericht. Weil die Rügemöglichkeiten jedoch stark beschränkt sind, dürfte es letztlich bei einer einzigen materiellen Beurteilung der Sache bleiben, nämlich jener durch das Schiedsgericht. Darüber besteht ein Vorteil eines Schiedsverfahrens darin, dass infolge der Spezialisierung der Schiedsrichter im jeweiligen Gebiet deren Know-how möglicherweise effizienter zu einem sachgerechten Urteil oder Vergleich führt. Je nach Streitwert und Anzahl Instanzen im ordentlichen Verfahren liegen sodann die Kosten eines Schiedsverfahrens tiefer als bei einem entsprechenden ordentlichen Verfahren. Hingegen ist beim Schiedsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege (vorläufige Prozessführung auf Kosten des Staates bei Mittellosigkeit) ausgeschlossen. Die Einsetzung eines Schiedsgerichts kann grundsätzlich durch den Erblasser im Testament, durch mehrere Parteien im Rahmen eines Erbvertrags oder durch die Erben im Rahmen der Erbteilung vorgesehen werden. Erfolgt im Rahmen eines Schiedsverfahrens ein Urteil, ist auch der Willensvollstrecker daran gebunden. Auch wenn der Willensvollstrecker selber grundsätzlich als Schiedsrichter bestimmt werden kann, ist eine so geschaffene Situation infolge einer Interessenbindung des Willensvollstreckers aber oftmals heikel.
In der Schweiz hat das Schiedsverfahren mit der eidgenössischen Zivilprozessordnung (ZPO) 2011 einen ersten „Anker“ erfahren. In den Artikeln 353 ff. der ZPO werden allgemein für schiedsfähige Angelegenheiten – auch ausserhalb des Erbrechts – die Organisation des Schiedsgerichts sowie das Schiedsverfahren geregelt. Es steht den Parteien jedoch weitgehend offen, sich individuell auf ein für sie passendes Verfahren zu einigen. Von grosser Bedeutung dürfte die Wahl der Personen des Schiedsgerichts sein: Diese sollen frei von konkreten Interessenbindungen und Abhängigkeiten zu den Parteien sein. Eine Option bildet der Schweizerische Verein Schiedsgerichtsbarkeit in Erbsachen (SVSiE), der 2012 zum Zweck der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit in Erbsachen gegründet worden ist. Er bietet in der Schweiz die Dienstleistungen der nationalen und internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in Erbsachen an, unabhängig vom anwendbaren Recht (www.schiedsgericht-erbsachen.ch). Mit seiner Schiedsordnung verweist der SVSiE weitgehend auf ein bestehendes Regelwerk, nämlich auf die Art. 1- 45 der Internationalen Schweizerischen Schiedsordnung (Swiss Rules). Als Schiedsgericht amten in der Regel Mitglieder des Vereinsvorstands oder von diesen ernannte Personen.
Vergleichbar mit der Einleitung eines ordentlichen Zivilprozesses sollten Sie auch die Einlassung auf ein Schiedsverfahren sorgfältig abwägen:
Spielen Sie mit dem Gedanken, Ihre Nachlassregelung mit einer Schiedsklausel zu versehen, oder haben Sie die Hoffnung, eine Erbstreitigkeit im Schiedsverfahren lösen zu können? Gerne beraten wir Sie!
Luzern, 21. August 2020
Reto Marbacher