Unsere Mutter ist vor 16 Jahren verstorben und wir «Kinder» haben uns nie mit dem Vater über die Erbschaft auseinandergesetzt. Sind wir noch eine Erbengemeinschaft? Und wer hat welche Rechte an den Liegenschaften des Vaters und unserer verstorbenen Mutter? Kann ich mir meinen Anteil auszahlen lassen?
Sind aus einem Nachlass mehrere Personen als Erben begünstigt, entsteht im Zeitpunkt des Todes des Erblassers grundsätzlich und von Gesetzes wegen eine Personengemeinschaft. Diese als „Erbengemeinschaft“ bezeichnete Personengemeinschaft funktioniert ohne anderslautende Regelung nach dem Einstimmigkeitsprinzip. Über die Nachlasswerte, sei es Mobiliar oder Grundstücke, entscheiden die Erben entsprechend nur mit Zustimmung aller Mitglieder der Erbengemeinschaft. Geht ein Grundstück via Erbgang vom Erblasser auf die Erbengemeinschaft über, löst die Mutation im Grundbuch Gebühren aus. Hingegen sind bei Todesfällen ab dem 1. Januar 2018 sämtliche erbrechtlich begründeten Handänderungen im Kanton Luzern von der Handänderungssteuer befreit (Erbanfall an einen Alleinerben oder an eine Erbengemeinschaft ebenso wie der Übergang eines Grundstücks von der Erbengemeinschaft an einen Erben oder einen Vermächtnisnehmer). Anders ist dies, wenn von mehreren Mitgliedern einer anderen Personenmehrheit (z.B. einer einfachen Gesellschaft) eine Person ausscheidet und ihr Anteil an die verbleibenden Mitglieder fällt: In diesem Fall wird bemessen am Anteil der mutierenden Person die Handänderungssteuer von 1.5 Prozent erhoben. Faktisch werden Erbengemeinschaften regelmässig über Jahre beibehalten respektive nicht aufgelöst. Der späte(re) Austritt einer Person aus einer über Jahre bestehenden Gemeinschaft von Erben kann böse steuerliche Überraschungen mit sich bringen, wenn die Steuerbehörden zur Ansicht gelangen sollten, dass die (ursprüngliche) Erbengemeinschaft als einfache Gesellschaft zu betrachten und der Austritt einer Person deshalb zu besteuern sei! Wie also sind die beiden Personengemeinschaften zu unterscheiden und wie können Steuerfolgen vermieden werden?
Eine Erbengemeinschaft wird durch die Erbteilung (mittels Vertrag oder Gerichtsurteil) oder – ausnahmsweise – durch die Umwandlung in eine andere Rechtsgemeinschaft (z.B. in eine einfache Gesellschaft) aufgelöst. Eine solche Umwandlung kann bewusst oder aber ohne Wissen und Willen der Erben stattfinden! Immerhin hat das Bundesgericht mit seiner Rechtsprechung hohe Anforderungen gesetzt, so dass Erben nicht ohne weiteres zu einfachen Gesellschaftern werden, ohne es explizit zu beschliessen. Kein Abgrenzungskriterium ist die Zeit, d.h. die Dauer des Fortbestands der Erbengemeinschaft. So kann eine Erbengemeinschaft auch nach Ansicht des Bundesgerichts ohne weiteres über mehrere Jahrzehnte fortgeführt werden, ohne dass eine Teilung oder eine Umwandlung erfolgt. Der Fortbestand der Erbengemeinschaft bildet in diesem Sinne die Regel, während die einfache Gesellschaft die Ausnahme darstellt. Für eine Umwandlung erforderlich ist, dass die Erbengemeinschaft faktisch einen Zweck verfolgt, der über die blosse gemeinsame Verwaltung der Erbschaft hinausgeht. Ein Grenzfall kann vorliegen, wenn Erben eine Liegenschaft im Nachlass einem grösseren Bauvorhaben unterziehen wollen. Je nach Finanzierung und Mitwirkung von Drittpersonen ausserhalb der Erbengemeinschaft ist die Umwandlung in eine einfache Gesellschaft eher zu vermuten. Es empfiehlt sich in solchen Fällen, vorab von der zuständigen Behörde eine steuerrechtliche Beurteilung einzuholen (sog. Steuerruling), um beim späteren Austritt einer Person aus der Gemeinschaft keine Überraschung zu erleben.
Die Frage, ob eine Erbengemeinschaft oder eine einfache Gesellschaft vorliegt, hat darüber hinaus auch Folgen für die Gerichtszuständigkeit oder andere prozessuale Aspekte. So ist die Erbteilungsklage zwingend beim Gericht am letzten Wohnort des Erblassers einzureichen.
Wenn Sie Hilfe bei der Auflösung einer Erbengemeinschaft suchen oder als Erbengemeinschaft (Bau)Vorhaben planen, und diesbezüglich die juristischen Folgen abschätzen möchten, sind Sie bei uns richtig! Wir helfen Ihnen gerne weiter!
Luzern, 10. März 2021
Reto Marbacher